Bärbele forever!

Für die Nazis war die Operette "entartete Musik", weil der Komponist Jude war. 

Ja, ich durfte auch mal mitspielen. 2010 bei der Open-Air-Version an der Hochfirstschanze in Titisee-Neustadt. Motto: Gebt dem Schwarzwaldmädel eine Chance! Meine Rolle: der  Ortspfarrer...

So wurde 2017 für das Bärbele in Sachsen-Anhalt geworben

Wie ein Schwarzwald-
mädel die Welt eroberte

Das Bild vom Schwarzwald als Sehnsuchtsort ist auch geprägt worden vom „Schwarzwaldmädel“, einer Operette, die schon 105 Jahre alt ist. Was das „Bärbele“ in dieser Zeit erlebte, ist Zeitgeschichte unterm Bollenhut.

Beim Stichwort „Schwarzwaldmädel“ denken die meisten erst mal an den Kinoerfolg von 1950, der unter anderem in St. Peter im Hochschwarzwald gedreht wurde.

Der legendäre Film ist aber nur eine Station im langen Leben des „Schwarzwaldmädels“. Die Operette, auf die er zurückgeht, stammt aus dem Jahr 1917. Und hat eine Geschichte, die mit der Angst vor einem Flop begann.

Denn Textdichter August Neidhardt und Komponist Leon Jessel befürchteten im August 1917 noch kurz vor der Premiere in Berlin, das Ganze könnte ein Reinfall werden. Neidhardt hatte eigens im Schwarzwald recherchiert, in Allerheiligen. Besonders heilig geht‘s in seinem Libretto aber nicht zu. Immerhin, da dreht es sich um einen Domorganisten, der auf seine alten Tage das Auge auf das  junge Mädchen geworfen hat, das ihm den Haushalt führt. Heikel? Komponist und Textautor sorgten sich, das Singspiel könnte durchfallen. 

Heile Welt mitten im Krieg

Es kam ganz anders. In den schweren Zeiten des Ersten Weltkriegs traf die Geschichte den Nerv des Publikums. Von „Blasphemie“ wollte niemand reden. Es war der sorglose Ausflug in einer heile Welt, auch musikalisch. Die heiteren Melodien („Erklingen zum Tanze die Geigen“) kamen bestens an. Auch wenn man im badischen Schwarzwald bis heute schluckt, wenn es im Liedtext heißt: „Mädle aus dem schwarzen Wald sind nicht leicht zu habe, nur ein Schwabe hat die Gabe…“

Einen prägenden Satz aus der Operette spricht der Wirt und Ortsbürgermeister aus: „Da kannsch nix mache, da stehsch machtlos vis-a-vis“. Eine Haltung, die zur politischen Lage 1917 passte. Die Welt verändern? Das Publikum vom „Schwarzwaldmädel“ war dafür nicht zu haben.

Schnell machte die Geschichte rund um die Hauptfigur „Bärbele“ Karriere. In den zwanziger Jahren folgten Tausende von Aufführungen. Von Riga bis Buenos Aires, von New York bis Wien galt das „Schwarzwaldmädel“ als Ausweis des romantischen deutschen Wesens: Ein Welterfolg.

"Entartete Musik"?

Auch den Nationalsozialisten gefiel das heimatverbundene Singspiel. Hitler und Himmler empfanden das Werk als „echt deutsch“; kein Vergleich zu der den Nazis verhassten Jazzmusik. Nur: Komponist Jessel hatte jüdische Wurzeln, und Musik von Juden galt in der Ideologie der Nazis grundsätzlich als „entartete Musik“. Gleichwohl konnte sich die Operette bis 1937 auf Spielplänen deutscher Theater halten. Was dafür spricht, dass das Werk mächtige Fürsprecher hatte. Die letzte Aufführung gab es im Opernhaus von Nürnberg, der „Stadt der Reichsparteitage“. 

Erst dann setzte die „Reichskulturkammer“ das Verbot durch. Sehr zum Kummer Jessels, der politisch ein Anhänger der „neuen Zeit“ war. Er wollte unbedingt dazu gehören, doch das wurde ihm wegen seiner Herkunft verwehrt. Der Komponist klagte in einem Brief darüber, der abgefangen wurde. Jessel kam in Gestapo-Haft. An ihren Folgen starb er 1942 in Berlin im Jüdischen Krankenhaus. 

Mit der Kapitulation Deutschlands 1945 feierte Jessels „Schwarzwaldmädel“ seine Wiederauferstehung. Der Berliner Rundfunk startete sein Programm mit Musik aus der Operette; die Theater spielten die heimelige Geschichte in unzähligen Neuinszenierungen. Wie schon im Entstehungsjahr 1917 war auch jetzt der Wunsch beim Publikum groß, wenigstens für ein paar Stunden aus der rauen Nachkriegs-Wirklichkeit in romantischere Gefilde zu fliehen. Das „Schwarzwaldmädel“ bot sich dafür an. 

Diesem Bedürfnis trug auch der Film von 1950 Rechnung. Zu Millionen gingen die Menschen ins Kino, um stattliche Höfe, heile Landschaften sowie Trachten und Bräuche in schönsten Color-Aufnahmen zu betrachten. Bis heute gilt „Schwarzwaldmädel“ mit 15 Millionen Zuschauern als der erfolgreichste deutsche Film. „Die Leute sind mit uns, im Kino sitzend, in den Schwarzwald gereist“, so hat sich „Bärbele“ Sonja Ziemann später den Riesenerfolg erklärt. 

Die Schauspielerin aus Eichwalde bei Berlin wurde als fesche Schwarzwälderin über Nacht zum Star. Und im Hochschwarzwald erinnert man sich heute noch daran, wie das Filmteam Glanz und Glamour in die Region brachte.

Bollenhut in Sankt Peter

Kinder aus dem Kolleg St. Sebastian sangen vor den Kameras „Oh Sancta Cäcilia“, die Trachtengruppen präsentierten sich beim opulenten Festumzug. Überhaupt, die Trachten. Dass Sonja Ziemann als „Bärbele“ in einer Schlüsselszene mit dem Bollenhut zu sehen war, hatte die entsprechenden Folgen. Nicht zuletzt dadurch wurde der Hut mit den 14 roten Wollrosen zum Symbol des Schwarzwalds. Dem „Schwarzwaldmädel“ sei Dank!

Auf den Theaterbühnen erlebte die Operette nach 1989 noch einmal einen Boom. Und zwar, nach der Wende, auf den Bühnen der Ex-DDR. Von Anklam bis Zittau, von Dresden bis Altenburg spielten sie Jessels Operette. Ob es auch daran lag, dass im Zerfall vertrauter Strukturen die Geschichte aus dem Schwarzwald als Bestärkung dienen kann, wie wichtig Heimat ist? 

Das Bärbele an der Elbe

Die Statistik beweist es: Die meistens Theaterinszenierungen des „Schwarzwaldmädels“ nach 1989 gab’s auf Bühnen in den neuen Bundesländern. 2017, zum Hundertsten, sogar vier Wochen am Stück im Freilichttheater Bierer Berg an der Elbe bei Magdeburg. Selbstverständlich mit jeder Menge Bollenhüte im Einsatz, und ein bisschen Augenzwinkern durfte ein Jahrhundert nach der Uraufführung schon auch dabei sein. Fast jede Vorstellung war ausverkauft. 

Woran man sieht: Es muss etwas dran sein an der Geschichte, dass das „Schwarzwaldmädel“ auch nach mehr als 100 Jahren noch lebendig ist. Um es mit einem Zitat aus dem Stück zu sagen: „Da kannsch nix mache, da stehsch machtlos vis-a-vis!“

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