Eine erlesene Wanderung

Was liest man vor, wenn man eine literarische Wanderung auf dem Feldberg gestalten soll? Eins lag natürlich nahe: einen Ausschnitt aus dem schönen Buch "Winteräpfel" von Heidi Knoblich auszuwählen. Da geht es um Fanny Maier, die legendäre Feldbergwirtin. Sie hat Gäste aus England.

Sie rühmen die frische Luft und die sonnigen Tage. Ihre Männer tragen Fräcke zum Abendessen, was neulich Schwarzwälder Naturburschen dazu verleitet hat, sie auszupfeifen. Dieses Thema wurde ausführlich in den Zeitungen diskutiert.

So sind die Schwarzwälder, denkt Fanny, während sie zwischen den Gästen herumgeht und ein Auge hat auf alles. In der Schweiz vergrößern sie die Alphörner um ein Vielfaches, um die englischen Gäste anzulocken, und im Schwarzwald werden sie ausgepfiffen! Sie beschließt, einen Empfangssaal mit offenem Kamin im englischen Stil zu bauen. Allerdings - die Operation wird viel Geld verschlingen, das weiß sie (...)

Mr. Smith, ein englischer Botaniker, kann die Speisekarte nicht lesen und bittet um ihre Hilfe. Es gibt Zunge in Burgundersoße, doch ihr fällt das englische Wort nicht ein. Sie überlegt lange, bis sie dann die Zunge herausstreckt und auf sie deutet. Ah, Mr.Smith hat verstanden und lacht.

„Ich frage mich gerade, was du getan hättest, wenn es Schinken gegeben hätte", sagt Carl im Vorbeigehen.

(Heidi Knoblich, Winteräpfel, Lahr 2003, 10. Auflage Tübingen 2024).  Hier zu bestellen

Wer meine Schwäche für Gereimtes kennt, wird sich nicht wundern, dass da auch allerlei im Angebot war. Schon zum Start, denn das Wetter zeigte sich überraschend sonnig. Also bitte, Joachim Ringelnatz: 

Bist du schon auf der Sonne gewesen?

Nein? - Dann brich dir aus einem Besen 

Ein kleines Stück Spazierstock heraus 

Und schleiche dich heimlich aus dem Haus 

Und wandere langsam in aller Ruh 

Immer direkt auf die Sonne zu.

So lange, bis es ganz dunkel geworden.

Dann öffne leise dein Taschenmesser, 

Damit dich keine Mörder ermorden.

Und wenn du die Sonne nicht mehr erreichst, 

Dann ist es fürs erste Mal schon besser, 

Dass du dich wieder nach Hause schleichst.

Es hat dann zwar doch auch geregnet, doch nur während unserer Rast in der Menzenschwander Hütte. Der Rückweg: von oben wieder trocken.

Über allen Gipfeln

Ist Ruh',

In allen Wipfeln

Spürest Du

Kaum einen Hauch;

Die Vögelein schweigen im Walde.

Warte nur! Balde

Ruhest du auch.

Klar, auf dem Gipfel - in diesem Fall dem Seebuck - muss es schon Goethe sein.  Das gleiche Thema kann man auch so angehen wie Ernst Jandl:

Wir sind die menschen auf den wiesen

bald sind wir menschen unter den wiesen

und werden wiesen, und werden wald

das wird ein heiterer landaufenthalt

Zu unserem heiteren (und sehr lebendigen) Landaufenthalt gehörte natürlich auch ein Besuch an der Quelle der Wiese, jenem Fluss, dem Johann Peter Hebel ein literarisches Denkmal gesetzt hat.  Kleiner Auszug:

Wo der Denglegeist in mitternächtige Stunde

uffeme silberne Gschir si goldeni Sägese denglet,

(Todtnau's Chnabe wüsse 's wohl) am waldige Feldberg,

wo mit liebligem Gsicht us tief verborgene Chlüfte

d'Wiese luegt, und check go Todtnau aben ins Tal springt (…) 

Dass ich dann auch noch gewagt habe, selbst ein alemannisches Gedicht vorzutragen - von Wendelinus Wurth aus dem Buch "hinter de bletsch", war natürlich mutig, angesichts von geballter alemannischer Sprachkraft im Publikum. "Da ist Luft nach oben", hieß es denn auch nach meinem Vortrag. Na gut, immerhin, er war kurz.

Mol wiss
mol violett

beids steht im  guet 

ei johr so uns ander
so un au mol gäl 

geht er an
s herz heißt awer
doch fingerhuet

Wendelinus Wurth, hinter de bletsch, Drey-Verlag, mehr dazu hier

 

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